Völkischer Nationalismus versus radikaler Rechtslibertarismus: In der extremen Rechten konkurrieren derzeit zwei ideologische Strömungen. Der rechte Libertarismus wird oft noch verkannt – dabei ist auch sein demokratiegefährdendes Potenzial hochgefährlich. Kern der Ideologie: die reine Herrschaft des Privateigentums, die Verachtung des Staates, die Ablehnung demokratischer Prinzipien.
Der Soziologe Andreas Kemper zeigt die Linien auf, wie rechter Libertarismus aus einem radikalisierten Neoliberalismus entstanden ist, wie aus „Freiheit“ das Recht der Stärksten wurde. Institutionen wie Parlamente, Gerichte und Sozialsysteme gelten dabei als illegitim Eingreifende in eine angeblich natürliche Ordnung des Wettbewerbs. Nicht das Gemeinwohl zählt, sondern ungezügelte Vertragsfreiheit und totale Eigentumssouveränität. Teilhabe wird zur Störung, politische und rechtliche Gleichheit zur Ideologie, Solidarität zur Schwäche. In der Ordnung der Stärksten ist Demokratie ein Hindernis.
Subversion, Verschwörung und Gold
Die rechtslibertären Netzwerke bestehen nicht nur aus Thinktanks und Autor:innen, sondern auch aus Goldhändler:innen, Verschwörungsideolog:innen und Unternehmer:innen, die mit libertärer Rhetorik gegen den demokratischen Staat mobilisieren und gezielt Erzählungen vom nahenden Staats- und Systemzusammenbruch verbreiten. Denn: Parallel zu den Untergangsszenarien, die vor einer „Weltregierung“, einer „Genderdiktatur“ oder einem „neuen Sozialismus“ warnen, florieren Edelmetallhandel, Krypto-Workshops und libertäre Investorenmodelle. Die Angst vor dem „Crash“ wird zur Geschäftsgrundlage – und zur politischen Agenda.
Ein anderer Teil der AfD-Strategie besteht darin, die anderen Parteien – insbesondere die CDU – immer weiter nach Rechtsaußen zu ziehen. Durch ständige Skandalisierungen, gezielten Tabubruch und das dauernde Setzen neuer politischer Grenzlinien zwingt sie politische Gegner zu Reaktionen nach ihren Regeln. Je mehr die Politik und die Gesellschaft die Debatten und Begrifflichkeiten der AfD übernehmen, desto stärker werden die rechtsextremen Positionen normalisiert und als legitime Alternativen empfunden. Verfangen kann der Rechtsruck, weil dabei suggeriert wird, auf diesem Weg den angeblichen „wahren“ Volkswillen zu vertreten – und wer zum Volk gehört, das definiert die extreme Rechte.
Männlichkeitskult als ideologische Stütze
Rechtslibertäre Diskurse stützen sich auf Männlichkeitsbilder, die Kontrolle, Durchsetzungskraft und Autonomie idealisieren. In der Erzählung vom unterdrückten „freien Mann“ wird der Staat zum „feminisierten Zwangssystem“, das Leistung bremst und echte Männlichkeit unterdrückt. Die Männerrechtsbewegung – maskulistisch, antifeministisch, anschlussfähig nach rechts außen – ist Teil dieser Inszenierung. Vor diesem Hintergrund wird nicht nur Gleichstellungspolitik abgelehnt, sondern das Bild einer sozialdarwinistischen Gesellschaft legitimiert, in der Eigentum und Selbstbehauptung das Maß der Dinge sind.
Andreas Kemper ist Publizist und Soziologe, der sich u.a. mit Klassismus, Antifeminismus und antidemokratischen Tendenzen in der AfD beschäftigt. 2022 erschien sein Buch „Privatstädte. Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus“.
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