Rechtsextrem, das neue Normal?

Warum Engagement für demokratische Werte wichtiger ist denn je

Matthias Quent
Schlachthof Wiesbaden

Matthias Quent

Es besteht Anlass zu erheblicher Sorge und zu dringendem Handeln: Die extreme Rechte zersetzt das Vertrauen in die Demokratie, sagt Matthias Quent. Eines ihrer Werkzeuge sind dabei Desinformationskampagnen mit teils ausländischem Hintergrund.

AfD: Rasante Radikalisierung

Die sich rasant radikalisierende AfD verfügt heute über einen professionellen Parteiapparat. Ihre Finanzmittel (zum Großteil Steuergelder) nutzt sie für Angriffe auf demokratische Institutionen und Projekte. Das Parteiprogramm formuliert ein grundgesetzwidriges völkisches Gesellschaftsmodell. In Reden werden unverhohlen rassistische Weltbilder propagiert. Aus der Mitte der Partei werden antisemitische Verschwörungserzählungen zu Migration, Geschlechtergerechtigkeit und Pandemiebekämpfung verbreitet. Auf der Straße macht sich die Partei mit Gewalttätern gemein und im Bundestag beschäftigt sie vorbestrafte Neonazis.

In einer wachsenden Zahl an Bundesländern wurde die Partei bzw. ihre Jugendorganisation Junge Alternative als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Trotz der Radikalisierung betrachten erschreckenderweise immer mehr Menschen die Partei als „normal“ –
sei es aufgrund der beständigen Sichtbarkeit und der Wahlerfolge, sei es, weil die demokratischen Parteien
bisher keine überzeugende gemeinsame Antwort gegen die AfD gefunden haben.

Durch Diskursverschiebung „normalisiert“

Die Wahrnehmung als „normal“ entsteht aber auch durch die Annäherung oder Übernahme (extrem) rechter Positionen und Narrative im demokratischen Spektrum. Die Partei hat nicht zuletzt davon profitiert, dass demokratische Parteien populistische Rhetorik und radikal-rechte Programmatik aufnehmen.

Streiten ist normal – Mordfantasien sind es nicht

Vieles gibt es in Deutschland zu verbessern: in der Bildung und der Pflege, im Verkehr, bei Wohnungen, Löhnen und Besteuerung, in der Wirtschafts- und Klimapolitik. Dass Veränderungen, wie sie Gesellschaften stets begleiten, umstritten sind, ist in einer Demokratie normal. Nicht gewöhnen dürfen wir uns an Lügen und Falschdarstellungen, an Hassbotschaften, Mord- und Vertreibungsfantasien und an Menschenrechtsverletzungen. Eine rechtsextreme Vormachtstellung kann sich vor allem da ausbreiten, wo es keinen Widerspruch gibt, wo es keine aktive Zivilgesellschaft gibt oder diese sich entmutigt zurückgezogen hat.

Entschlossene Gegenwehr und Aufarbeitung

Aber die Auseinandersetzung mit der AfD darf sich nicht damit zufriedengeben, nur die moralische Verwerflichkeit ihrer Politik zu kritisieren. Statt aus Furcht vor rechtsextremen Terraingewinnen nur auf die Verteidigung des Status Quo zu setzen, braucht es entschlossene Gegenwehr und die schonungslose Aufarbeitung der Ursachen für den rasanten Aufschwung der extremen Rechten – ebenso wie das Engagement für die Gestaltung einer demokratischeren, gerechteren und lebenswerten Zukunft.

Wir diskutieren mit Prof. Dr. Matthias Quent:

  • Wie können wir der AfD demokratische und humanistische Ideen entgegensetzen?
  • Was bedeuten die Ergebnisse der Bundestagswahl für die Demokratie?
  • Mit welchen Entwicklungen ist in nächster Zukunft zu rechnen?

Dr. Matthias Quent ist Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er ist einer der profiliertesten deutschen Rechtsextremismusexperten. Zusammen mit Fabian Virchow gab er 2024 den Sammelband „Rechtsextrem, das neue Normal? Die AfD zwischen Verbot und Machtübernahme“ heraus.

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